Nr. 4/15 – Beteiligung des Arbeitgebers bei Betriebsratsumfragen?

In die Schlagzeilen kommen Betriebsräte meist bei der Ausübung ihrer Rechte gegenüber dem Arbeitgeber. Doch sie haben auch Pflichten und es gibt Grenzen bei den Eingriffsmöglichkeiten. Diese werden in der Serie dargestellt. Heute: Beteiligungspflichten bei einer Mitarbeiterumfrage.

Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten „vertrauensvoll… zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs“ zusammen und sie verhandeln „über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung“, so schreibt es das Betriebsverfassungsgesetz in §§ 2 und 74 BetrVG vor.

Allgemeines Neutralitätsgebot des Betriebsrats

Dem Betriebsrat kommt des Weiteren die Aufgabe zu, „Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Betriebsfrieden beeinträchtigt werden“. Wesentliche Kernaussage dieser Regelungen ist ein „allgemeines Neutralitätsgebot“ des Betriebsrats. Sieht der Arbeitgeber dieses Gebot verletzt, kann er aber nicht per Unterlassungsklage dagegen vorgehen (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. März 2010, 7 ABR 95/08). Das Bundesarbeitsgericht verweist den Arbeitgeber in diesen Fällen auf einen Ausschlussantrag, soweit er gegen ein einzelnes Betriebsratsmitglied vorgehen will, beziehungsweise auf einen Antrag auf Auflösung des Betriebsratsgremiums nach § 23 BetrVG.

Die Hürden für einen solchen Antrag liegen allerdings äußerst hoch, die Pflichtverletzung muss gravierend sein und wird beispielweise bei einer groben Beschimpfung bejaht, siehe etwa einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. Oktober 2004 (Aktenzeichen: 5 TaBV 96/03), hier hatte der Betriebsrat den Arbeitgeber mit einer besonders unhaltbaren Wortwahl verunglimpft.

Pflichten des Betriebsrats nur unzureichend geregelt

Im Gegensatz zu den Pflichten, die der Arbeitgeber bei der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu beachten hat, sind die Aufgaben und Pflichten des Betriebsrats hingegen nur unzureichend geregelt. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Mitarbeiterumfragen. Plant der Arbeitgeber eine Umfrage in der Belegschaft, hat er in aller Regel den Betriebsrat vorab umfassend zu informieren und ihn zu beteiligen.

Umfrage des Betriebsrats ohne Einbindung des Arbeitgebers möglich

Plant hingegen der Betriebsrat eine Mitarbeiterumfrage, so kann er dies grundsätzlich im Rahmen seines Aufgabenbereichs und unter Beachtung der allgemeinen Regelungen für seine Tätigkeit auch ohne die Einbeziehung des Arbeitgebers tun. Begrenzt ist sein Handeln lediglich durch die Verpflichtung, darauf zu achten, dass Betriebsablauf und Betriebsfrieden nicht gestört werden. So ist die Durchführung einer vom Betriebsrat initiierten Fragebogenaktion unter jugendlichen Arbeitnehmern zulässig, soweit sich die Fragen im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) und des Betriebsrats halten und Betriebsablauf, wie Betriebsfrieden nicht gestört werden (Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2007, 77 BVGa 16633/07).

Quelle: Haufe-online vom 10.03.2015

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Nr. 2/2015 Personalplanung und Stichtagserhebungen

Der Betriebsrat im Pflegeheim – und die Überlassung von Stichtagserhebungen

Dienen Stichtagserhebungen, die nach einer VO erhoben werden müssen, nicht ausschließlich der Festlegung des Budgets zwischen den Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung, sondern übergeordnet auch und gerade dem Ziel einer ausreichenden zweckmäßigen und wirtschaftlichen Behandlung der Patienten, sind diese dem Betriebsrat dennoch nicht vorzulegen, wenn die Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, die selben Maßstäbe und Methoden zu übernehmen und innerbetrieblich umzusetzen und sie dies auch nicht tut.

Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Nach § 92 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen.

Der Begriff “Personalplanung” ist im BetrVG nicht definiert. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf soll § 92 Abs. 1 BetrVG sicherstellen, dass der Betriebsrat bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt über die personelle Situation des Betriebes und deren Entwicklung umfassend an Hand von Unterlagen unterrichtet wird und mit ihm die Maßnahmen sowie die Vorsorge zur Vermeidung von Härten für die Arbeitnehmer beraten werden1. Demgemäß versteht die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur unter Personalplanung jede Planung, die sich auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht, auf deren Deckung im weitesten Sinne und auf den abstrakten Einsatz der personellen Kapazität bezieht. Dazu gehören jedenfalls die Personalbedarfsplanung, die Personaldeckungsplanung (Personalbeschaffung, Personalabbau), die Personalentwicklungsplanung und die Personaleinsatzplanung2. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts3. Als Gegenstand einer Personalplanung werden auch personelle Maßnahmen, die zur Deckung des gegenwärtigen oder künftigen Personalbedarfs erforderlich werden, angesehen4.

Zweck der Beteiligung an der Personalplanung ist, dem Betriebsrat frühzeitig Einfluss auf die personellen Grundsatzentscheidungen einzuräumen. Es soll damit eine bessere Objektivierung und Durchsetzbarkeit sowie Durchschaubarkeit der Personalwirtschaft und der personellen Einzelmaßnahmen erreicht werden.

Danach steht dem Betriebsrat in dem hier vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall ein Anspruch auf Übergabe der begehrten Stichtagserhebungen nicht zu. Denn die Arbeitgeberin verwendet die Stichtagserhebungen ausschließlich als Finanzierungsinstrument. Die Personalbedarfsplanung nimmt sie anders vor.

Danach steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Übergabe der begehrten Stichtagserhebungen nicht zu, wenn die Arbeitgeberin die Stichtagserhebungen ausschließlich als Finanzierungsinstrument verwendet und die Personalbedarfsplanung anders vornimmt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für die Beteiligung des Betriebsrats nach § 92 Abs. 1 BetrVG nur entscheidend, ob der Arbeitgeber überhaupt eine Personalplanung betreibt. Tut er das, muss er den Betriebsrat in dem gesetzlich vorgesehen Umfang beteiligen. Soweit der Arbeitgeber mit den beantragten Stichtagserhebungen noch andere Zwecke verfolgt, nimmt ihnen das nicht den Charakter einer Personalbedarfsplanung. Nur wenn diese überhaupt nichts mehr mit der Personalplanung zu tun haben und bloßes Instrument zur Erlangung möglichst hoher Zuwendungen sind, kann von einer Personalplanung nicht mehr gesprochen werden. So liegt der Fall hier.Es ist der Arbeitgeberin auch erlaubt, ihre Personalbedarfsplanung auf anderen Grundlagen und nach anderen Maßstäben und Methoden vorzunehmen.

Auch wenn die Psych-PV nicht ausschließlich der Festlegung des Budgets zwischen den Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung dient, sondern übergeordnet auch und gerade dem Ziel einer ausreichenden zweckmäßigen und wirtschaftlichen Behandlung der Patienten, verpflichtet sie die Arbeitgeberin nicht, dieselben Maßstäbe und Methoden, nach denen während der Budgetverhandlungen der Personalbedarf ermitteltet worden ist, zu übernehmen, sie gleichermaßen innerbetrieblich umzusetzen und hierbei insbesondere auch die Stichtagserhebungen zu verwenden. Anderes lässt sich aus der Psych-PV nicht herleiten. Denn diese sieht nicht vor, dass die innerbetriebliche Personalplanung nach Aushandlung des Budgets gleichermaßen auf den Stichtagserhebungen zu beruhen hat. Benutzt die Arbeitgeberin damit die Stichtagserhebungen als bloßes Instrument zur Erlangung möglichst hoher Zuwendungen der Kostenträger, muss sie sie dem Betriebsrat nicht zur Kenntnis geben.

Es ergibt sich auch kein Anspruch aus § 92 Abs. 2 BetrVG. Zutreffend führt das Arbeitsgericht hierzu aus, der habe Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf, sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen und Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen. Es erschließt sich jedoch vorliegend nicht, weshalb die Stichtagserhebungen, die als Finanzierungsinstrument benutzt werden und die zum Verhandeln des Budgets gefertigt werden, auf der Grundlage normativ bemessenen Personalbedarfs dienlich sein können. Dies wird vom Betriebsrat auch nicht ausreichend dargelegt. Hierzu wäre er jedoch in der Lage, denn er kann aus den ihm bekannten älteren Stichtagerhebungen ersehen, inwieweit die in den Stichtagserhebungen enthaltenen Daten eine Möglichkeit für Vorschläge zulassen.

Nicht eingewandt werden kann, dass dem Betriebsrat ein Einsichtsrecht insoweit zustehen müsse, weil er erst nach Einsicht beurteilen könne, ob er die so erlangten Informationen für die Wahrnehmung seines Initiativrechts nach § 92 Abs. 2 BetrVG benötige oder nicht. Mit diesem Argument ließe sich im Ergebnis jeder Informations- und Herausgabeanspruch von Unterlagen rechtfertigen.

Letztlich dürfte der Betriebsrat vorliegend jedoch wissen, welche Daten er von der Arbeitgeberin benötigt, um in Ausübung seines Initiativrechts Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung unterbreiten zu können und weshalb. Das gilt insbesondere deshalb, weil er aus alten Stichtagserhebungen die dort enthaltenen Daten und ihre Bedeutung für die Ausübung des Initiativrechts bei der Personalplanung kennt.

Quelle: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 10. November 2014 – 8 TaBV 120/13

  • 1 BT-Drs. VI/1786, Seite 50↩
  • 2 Kraft, GK-BetrVG, 10. Aufl. § 92 Rn. 13 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 25. Aufl., § 92 Rz 5 c ff.; Richardi, BetrVG, 14. Aufl., § 92 Rz 9 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 92 Rz 5 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 8. Aufl., § 92 Rz 11 ff.; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 3. Aufl., § 92 Rz 10 ff.; vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 19.11.2008 – 21 TaBV 1084/08↩
  • 3BAG vom 06.11.1990 – 1 ABR 60/89 – AP Nr. 3 zu § 92 BetrVG 1972, EzA § 92 BetrVG 1972 Nr. 2; BAG vom 14.09.2010 – 1 ABR 26/09↩
  • 4 BAG vom 06.11.1990 – 1 ABR 60/89 – AP Nr. 3 zu § 92 BetrVG, EzA § 92 BetrVG 1972 Nr. 2; vom 31.01.1989 – 1 ABR 72/87 – AP Nr. 33 zu § 80 BetrVG 1972, EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 34↩