Nr. 6/15 – Verdachtskündigung wegen Täterwissen: Bank-Azubi aus Trier muss gehen

Viele meinen, nach der Probezeit sei man als Azubi so gut wie unkündbar. Und es stimmt schon: Die rechtlichen Hürden, nach denen eine Kündigung möglich ist, werden gerade zum Ende der Ausbildungszeit hin immer höher, so der Deutsche Anwaltsverein. Nun gibt es eine Neuerung, denn: Ein Ausbildungsverhältnis schützt nicht vor Verdachtskündigung. Diese Erfahrung musste ein junger Azubi vor dem Bundesarbeitsgericht machen.

Ein angehender Bankkaufmann aus Trier sollte das Geld aus dem Nachttresor zählen. Bei einer späteren Kontrolle ergab sich eine Differenz von rund 500 Euro zwischen dem, was hätte da sein sollte und dem vom Azubi gezählten Betrag. Darauf angesprochen nannte dieser – vermutlich unabsichtlich – die genaue Höhe des Fehlbetrages. Dumm nur: Die hatte man ihm gar nicht mitgeteilt. Für den Arbeitgeber war die Sache klar: Die exakte Summe konnte nur der Täter wissen. Er sprach die Verdachtskündigung aus. Fristlos, versteht sich. Gegen die Kündigung wehrte sich der junge Mann bis vor das BAG – letztlich aber erfolglos.

Eine Verdachtskündigung ist laut oberster Rechtsprechung schon seit längerer Zeit zulässig – zumindest in normalen Beschäftigungsverhältnissen. Eine solche Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber sie damit begründet, dass gerade der Verdacht eines nicht erwiesenen strafbaren Verhalten und dem damit verbundenen Vertrauensverlust die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.

Sehr kritisch dabei: Trotz aller Indizien besteht immer die Gefahr, dass jemand zu Unrecht verdächtigt wird. Das kann schnell passieren. Deshalb ist eine solche Kündigung nur zulässig, wenn die Verdachtsmomente wirklich sehr dringend sind. Nur wenig Haltbares reicht in keinem Fall aus. Verlangt werden belastbare, objektive und sehr konkrete Tatsachen. Vor dem Hintergrund des Vertrauensverlustes muss eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar erscheinen.

Dass der junge Kollege sich noch in einem Ausbildungsverhältnis befand, störte das Bundesarbeitsgericht nicht. Denn: Auch Ausbildungsverhältnisse können durch Verdachtskündigung beendet werden, so die Richter. Im vorliegenden Fall mache dieser Verdacht bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar. Denn was gibt es schlimmeres, als wenn Geld verschwindet – in einer Bank!

 

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 18. April 2013 – 2 Sa 490/12 –

Quelle: Pressemitteilung BAG  Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Februar 2015 – Az. 6 AZR 845/13 (Bildquelle: © RGtimeline – istockphoto)

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Nr. 4/15 – Beteiligung des Arbeitgebers bei Betriebsratsumfragen?

In die Schlagzeilen kommen Betriebsräte meist bei der Ausübung ihrer Rechte gegenüber dem Arbeitgeber. Doch sie haben auch Pflichten und es gibt Grenzen bei den Eingriffsmöglichkeiten. Diese werden in der Serie dargestellt. Heute: Beteiligungspflichten bei einer Mitarbeiterumfrage.

Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten „vertrauensvoll… zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs“ zusammen und sie verhandeln „über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung“, so schreibt es das Betriebsverfassungsgesetz in §§ 2 und 74 BetrVG vor.

Allgemeines Neutralitätsgebot des Betriebsrats

Dem Betriebsrat kommt des Weiteren die Aufgabe zu, „Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Betriebsfrieden beeinträchtigt werden“. Wesentliche Kernaussage dieser Regelungen ist ein „allgemeines Neutralitätsgebot“ des Betriebsrats. Sieht der Arbeitgeber dieses Gebot verletzt, kann er aber nicht per Unterlassungsklage dagegen vorgehen (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. März 2010, 7 ABR 95/08). Das Bundesarbeitsgericht verweist den Arbeitgeber in diesen Fällen auf einen Ausschlussantrag, soweit er gegen ein einzelnes Betriebsratsmitglied vorgehen will, beziehungsweise auf einen Antrag auf Auflösung des Betriebsratsgremiums nach § 23 BetrVG.

Die Hürden für einen solchen Antrag liegen allerdings äußerst hoch, die Pflichtverletzung muss gravierend sein und wird beispielweise bei einer groben Beschimpfung bejaht, siehe etwa einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. Oktober 2004 (Aktenzeichen: 5 TaBV 96/03), hier hatte der Betriebsrat den Arbeitgeber mit einer besonders unhaltbaren Wortwahl verunglimpft.

Pflichten des Betriebsrats nur unzureichend geregelt

Im Gegensatz zu den Pflichten, die der Arbeitgeber bei der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu beachten hat, sind die Aufgaben und Pflichten des Betriebsrats hingegen nur unzureichend geregelt. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Mitarbeiterumfragen. Plant der Arbeitgeber eine Umfrage in der Belegschaft, hat er in aller Regel den Betriebsrat vorab umfassend zu informieren und ihn zu beteiligen.

Umfrage des Betriebsrats ohne Einbindung des Arbeitgebers möglich

Plant hingegen der Betriebsrat eine Mitarbeiterumfrage, so kann er dies grundsätzlich im Rahmen seines Aufgabenbereichs und unter Beachtung der allgemeinen Regelungen für seine Tätigkeit auch ohne die Einbeziehung des Arbeitgebers tun. Begrenzt ist sein Handeln lediglich durch die Verpflichtung, darauf zu achten, dass Betriebsablauf und Betriebsfrieden nicht gestört werden. So ist die Durchführung einer vom Betriebsrat initiierten Fragebogenaktion unter jugendlichen Arbeitnehmern zulässig, soweit sich die Fragen im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) und des Betriebsrats halten und Betriebsablauf, wie Betriebsfrieden nicht gestört werden (Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2007, 77 BVGa 16633/07).

Quelle: Haufe-online vom 10.03.2015

Nr. 3/2015 Die Klageverzichtsklausel im Aufhebungsvertrag

Ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Wird ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war der Kläger seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Am 28.12 2012 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28.12 2012 endete. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit einer außerordentlichen Kündigung und Strafanzeige gedroht, weil er aus ihrem Lagerbestand zwei Fertigsuppen ohne Bezahlung entnommen und verzehrt habe. Der Vertrag enthielt ua. einen Widerrufs- und Klageverzicht. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 25.07.2008 beinhaltet in § 11 Abs. 10 bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann. Noch am 28.12 2012 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung sei angesichts des langjährigen, unbelasteten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht vertretbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht Hamm hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben1. Auf die Revision der Beklagten hob nun das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht Hamm zurück.

Auf die Wirksamkeit des Verzichts auf die tariflich eröffnete Widerrufsmöglichkeit kam es dabei für das Bundesarbeitsgericht nicht an, weil der Kläger entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts innerhalb der Widerrufsfrist keinen Widerruf iSv. § 11 Abs. 10 MTV erklärt hat. Jedoch nimmt der im Aufhebungsvertrag vorgesehene Klageverzicht dem Kläger im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Das ist mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war. Im Ergebnis teilt damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags. Das Landesarbeitsgericht muss noch aufklären, ob eine widerrechtliche Drohung vorlag.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14

  1. Vorinstanz LAG Hamm, Urteil vom 07.11.2013 – 16 Sa 879/13

4/2014 – BAG bestätigt Rechtsprechung zur nicht nur „vorübergehenden“ Zeitarbeit

Der Neunte Senat des BAG hatte bereits im Dezember 2013 entschieden, dass eine mehr als nur „vorübergehende“ Arbeitnehmerüberlassung nicht analog § 10 Abs. 1 AÜG zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher führt (BAG, Urt. vom 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196;). In einem weiteren Verfahren hatte das Gericht jetzt die Gelegenheit, seine Rechtsauffassung zu bestätigen und zugleich zum Koalitionsvertrag der Großen Koalition Stellung zu nehmen:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass zwischen ihr und der Beklagten, die verschiedene Krankenhäuser betreibt, seit dem 1.8.2008 ein Arbeitsverhältnis besteht. An diesem Tag wurde sie von der G GmbH, einer Personal-Service-Agentur für Gesundheitsfachberufe, die über eine unbefristet erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt, als Krankenschwester eingestellt. Der Arbeitsvertrag nimmt auf die vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen mit den Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Bezug. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin der Beklagten als Leiharbeitnehmerin überlassen. Sie ist der Auffassung, ihre Überlassung sei nicht nur „vorübergehend“ erfolgt (wobei dieses Merkmal ohnehin erst seit dem 1.12.2011 im Gesetz steht), deshalb bestehe analog § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und ihr. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung nimmt sie auch auf den Koalitionsvertrag Bezug.

Das BAG bestätigt kurz seine Entscheidung vom 10.12.2013 und äußert sich dann zu dieser Argumentation wie folgt:

Der Hinweis der Klägerin auf den zwischen CDU, CSU und SPD am 16. Dezember 2013 unterzeichneten Koalitionsvertrag geht in mehrfacher Hinsicht fehl. Absichtserklärungen von Parteien in einer Koalitionsvereinbarung berechtigen Gerichte nicht, die geltende Rechtslage außer Acht zu lassen. Im Übrigen haben die Koalitionsparteien unter Ziff. 2.2 des Koalitionsvertrags nicht vereinbart, dass eine nicht mehr vorübergehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers hinsichtlich der Rechtsfolge einer Überlassung ohne Erlaubnis gleichgestellt werden soll. Nur bei einer „verdeckten“ Überlassung (Scheinwerk- und -dienstverträge) soll geregelt werden, dass über § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem vermeintlichen Werkbesteller/Dienstberechtigten zustande kommt.

Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Quelle: BAG, Urteil vom 3.6.2014 – 9 AZR 111/13, BeckRS 2014, 71241)

Nr. 6-2012 – Kündigungsschutzklage erfolglos – Das Ehrenamt begründet keinen Arbeitnehmerstatus

Durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und die Klage einer ehrenamtlichen Telefonseelsorgerin abgewiesen, die unentgeltlich zehn Stunden im Monat bei einem Seelsorgedienst tätig war.

Das Ehrenamt begründet keinen Arbeitnehmerstatus
Bundesarbeitsgericht

Der Beklagte des entschiedenen Falles ist Träger einer örtlichen Telefonseelsorge. Zu diesem Zweck unterhält er Räumlichkeiten, in denen ein hauptamtlicher und rund fünfzig ehrenamtliche Mitarbeiter den Seelsorgedienst verrichten. Nach der Dienstordnung für die ehrenamtlichen Kräfte wird deren regelmäßige Beteiligung erwartet. Jeweils im Vormonat legt der Beklagte Dienstpläne für den Folgemonat aus, in die sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter eintragen. Die Klägerin war auf der Grundlage von schriftlichen „Beauftragungen“ seit dem 26. April 2002 als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin unentgeltlich im Umfang von zehn Stunden im Monat für den Beklagten tätig. Die Klägerin erhielt lediglich einen Unkostenersatz von 30,00 Euro monatlich. Am 22. Januar 2010 wurde die Klägerin mündlich von ihrem Dienst entbunden.

Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht – wie schon in den Vorinstanzen – erfolglos. Zwischen den Parteien bestand kein Arbeitsverhältnis. Die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit von Dienstleistungen ist – bis zur Grenze des Missbrauchs – rechtlich zulässig, wenn eine Vergütung, wie bei ehrenamtlicher Tätigkeit, nicht zu erwarten ist. Die Ausübung von Ehrenämtern dient nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie ist Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. Im Streitfall besteht kein Anhaltspunkt für die Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften.

Quelle:

BAG, Urteil vom 29.08.2012
Aktenzeichen: 10 AZR 499/11
Pressemitteilung des BAG Nr. 62/2012 vom 29.8.2012

Nr. 4-2012 – Bundesarbeitsgericht: Bewerbung – Ablehnungsschreiben setzt Frist für Entschädigungsanspruch in Gang

 

Die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beginnt – auch in unionsrechtskonformer Auslegung – bereits mit Zugang des Ablehnungsschreibens auf eine Bewerbung.

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers aufgrund eines Verstoßes des beklagten Landes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.

Der Kläger ist schwerbehindert. Er verfügt über Ausbildungen zum Lehrer für Grund- und Hauptschulen sowie zum Dipl.-Pädagogen. Das beklagte Land schrieb eine Stelle als „Lehrer/in – Hauptschulen (Sekundarstufe I)“ aus.

Der Kläger bewarb sich um diese Stelle. Mit Schreiben – beim Kläger eingegangen am 17.09.2008 – wurde ihm mitgeteilt, dass die Stelle an eine Mitbewerberin vergeben wurde. Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 05.12.2008 Auskunft über die Höhe eines Monatsgehalts für die ausgeschriebene Stelle und meldete Schadensersatz/Entschädigungsansprüche an.

Das beklagte Land beruft sich darauf, ein etwaiger Anspruch sei nicht innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG schriftlich geltend gemacht worden.

Das BAG bestätigte die Auffassung des Beklagten.

Der Kläger hat die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt. Zwar beginnt in unionsrechtskonformer Auslegung diese erst mit der Kenntniserlangung von der Benachteiligung, frühestens mit dem Zugang der Ablehnung. Vorliegend hatte der Kläger mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens auch die Kenntnis von der geltend gemachten Benachteiligung. Deshalb begann die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG am 18.09.2008 (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete am 18.11.2008 (§ 188 Abs. 2, § 193 BGB).

Hinsichtlich der Frage, wann Kenntniserlangung von der Benachteiligung vorliegt, kann auf die Maßstäbe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Maßgabe zurückgegriffen werden, dass wegen des Wortlauts von § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht genügt. Kenntnis von der Benachteiligung hat der Beschäftigte daher dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat.

Mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens hatte der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Er wusste, dass das Auswahlverfahren abgeschlossen war, ohne dass er Berücksichtigung im Auswahlverfahren gefunden hatte. Ein Nachteil im Sinne einer unmittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt im Falle einer Auswahlentscheidung bereits dann vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance. Damit lag im Streitfalle die benachteiligende Handlung im Ausscheiden aus dem Bewerbungsverfahren bzw. in der Versagung einer Chance, nicht aber in jedem einzelnen vom Kläger vorgetragenen Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift.

Nach § 82 Satz 2 SGB IX hat der öffentliche Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, dass das beklagte Land nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet gewesen wäre, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so hätte er mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens Kenntnis von den Tatsachen gehabt, die ein Indiz im Sinne von § 22 AGG begründen.

 

Quelle:

Bundesarbeitsgericht-Urteil vom 15.03.2012                                                                                                                                   Aktenzeichen: 8 AZR 37/11

 

Nr. 3-2012 – Bundesarbeitsgericht: Mehr Urlaub für jüngere Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Den jüngeren Beschäftigten im öffentlichen Dienst steht mehr Urlaub zu, als sie bislang bekommen. Wie das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied, haben die Jüngeren ebenso Anspruch auf 30 Urlaubstage im Jahr wie die über 40-Jährigen. Konkret bedeutet dies ein Plus von bis zu vier freien Tagen. Bisher umfasst der Jahresurlaub im öffentlichen Dienst 26 Arbeitstage für bis zu 30-jährige Beschäftigte, bis zum 40. Lebensjahr sind es 29 Tage und danach 30 Arbeitstage.

 

Quelle: Bundesarbeitsgericht-Urteil vom 20.03.2012
Aktenzeichen: 9 AZR 529/10

Europäischer Gerichtshof: Mehrfach befristete Arbeitsverträge zulässig

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg

dpaDer europäische Gerichtshof in Luxemburg. Foto: Nicolas Bouvy / Archiv

Luxemburg (dpa) – Die mehrfache Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen widerspricht nicht dem EU-Recht. Dies hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden.

Mehrfach wegen Vertretungsbedarf befristete Arbeitsverträge könnten auch dann erlaubt sein, wenn sich der Vertretungsbedarf als «wiederkehrend oder sogar ständig erweist».

Das höchste EU-Gericht war vom Bundesarbeitsgericht angerufen worden. Dabei geht es um die Klage einer Frau, die zwischen 1996 und 2007 mit insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Köln beschäftigt wurde.

Die Frau wurde jeweils als Vertretung für vorübergehend fehlende Mitarbeiter eingesetzt, beispielsweise für Kolleginnen im Erziehungsurlaub. Sie hatte auf Festanstellung geklagt.

Quelle: WZ-Newsline vom 26.01.2012

Nr. 1-2012 – Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung

Nach dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) München vom 30.11.2011 -11 TaBV 62/11– ist die beantragte Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung nicht bereits deswegen abzulehnen, da eine hinreichende Information des Betriebsrats nicht erfolgt wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – so der Beschluss des LAG München vom 30.11.2011 – kann der Betriebsrat einer personellen Maßnahme seine Zustimmung gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur dann verweigern, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Die Versetzung müsste folglich verboten sein. Voraussetzung ist, dass der Zweck der verletzten Norm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt unterbleibt (vgl. hierbei zur Einstellung BAG, Beschl. v. 28.06.1994 – 1 ABR 59/93; Beschl. v. 17.06.1997 – 1 ABR 3/97). Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitteilen (vgl. BAG, Beschl. v. 06.10.2010 – 7 ABR 18/09; Beschl. v. 17.11.2010 – 7 ABR 120/09). Der Betriebsrat hatte in dem vom LAG entschiedenen Fall unbestrittenermaßen auch gegenüber dem Arbeitgeber auf ausdrückliche Nachfrage keine weiteren Ergänzungen gewünscht oder geltend gemacht. Die Information des Betriebsrats war demnach vollständig.

Das LAG München führt weiter aus: „Soweit er sich darauf berufen hat, dass eine auf Tatsachen beruhende Besorgnis seinerseits gerechtfertigt sei dahingehend, dass Nachteile für andere Mitarbeiter entstehen können, hat er hier die erforderlichen Tatsachen nicht vorgetragen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei diesem Zustimmungsverweigerungsgrund schon nach dem Gesetzeswortlaut ein entsprechender Tatsachenvortrag gefordert wird. Denn insoweit reicht es auch nicht aus, lediglich formelhafte nicht dem Einzelfall angepasste Begründungen zu geben (vgl. BAG, Beschl. v. 03.07.1984, aaO; Beschl. v. 24.07.1979 – 1 ABR 78/77), genauso wenig reicht eine Zustimmungsverweigerung aus, die keine konkreten Tatsachen beinhaltet (vgl. BAG, Beschl. v. 17.11.2010, 7 ABR 120/09 zu B. I. 1. c) aa) a. E. der Gr.). D. h., dass bereits die Zustimmungsverweigerung selbst zumindest hinreichend konkrete Tatsachen beinhalten muss, damit der Arbeitgeber insoweit beurteilen kann, ob die Zustimmungsverweigerung berechtigt ist oder nicht.“

Gericht: Landesarbeitsgericht München

Quelle: – Landesarbeitsgericht (LAG) München vom 30.11.2011– Aktenzeichen  11 TaBV 62/11

veröffentlicht: Rechtsanwalt Christian Steffgen (Anwaltskanzlei Steffgen) vom 04.01.2012

Rechtsanwalt Christian Steffgen Klinkertorplatz 1
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