Nr. 12/2015 – Prozess um Kleiderordnung: Ist Umziehen schon Arbeitszeit?

Von Bileam Bader

Ist das Anziehen der Arbeitskleidung Arbeitszeit und muss deshalb bezahlt werden? Ja, meint ein Mitarbeiter der Oberhausener Verkehrsbetriebe. Die weigern sich jedoch, die Umkleidezeit zu bezahlen. Am Montag (03.08.2015) entscheidet das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.


Männer im Blaumann, die zur Arbeit gehen
Auf wessen Kosten geht die Zeit, in der Arbeitskleidung angezogen wird?

Vor der Arbeit fünf Minuten, nach der Arbeit inklusive Duschen fünfzehn. So viel Zeit verbringt ein Werkstattmitarbeiter der STOAG, so sagt er, täglich mit Umziehen. Und dafür fordert er von seinem Arbeitgeber Geld, insgesamt 750 Euro für ein halbes Jahr. Denn die Dienstkleidung, so seine Argumentation, dürfe er nicht zu Hause anziehen. Tatsächlich besagt die Kleiderordnung, dass die Dienstkleidung nur im Dienst getragen werden darf. In einer weiteren Betriebsvereinbarung heißt es, „dass die zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung während der Arbeitszeit zu tragen und die private Nutzung zu unterlassen ist“. Außerdem wird die Arbeitskleidung mit Firmenlogo vom Betrieb zur Verfügung gestellt und dort auch gewaschen.

Umziehen am Arbeitsplatz sei freiwillig


Montage: Arbeitsgericht Gerichtsgebäude Düsseldorf mit Schriftzug Arbeitsgericht
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf soll entscheiden

Dennoch will die STOAG die Arbeitszeit, die auf das Umziehen entfällt, nicht bezahlen. Die Werkstattmitarbeiter könnten die Arbeitskleidung auch zu Hause anziehen, heißt es. Das Umziehen im Betrieb sei lediglich ein Angebot, so die Argumentation des Arbeitgebers. Jeder dürfe die Kleidung bereits zu Hause anziehen und auf dem Weg zur Arbeit tragen. Doch der Kläger bezweifelt, dass das mit der öl- und fettverschmierten Werkstattkleidung möglich ist. Und das Arbeitsgericht Oberhausen hatte ihm auch bereits in erster Instanz Recht gegeben. Dagegen legte die STOAG Berufung ein. Jetzt muss das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entscheiden.

Quelle: WDR vom 03.08.2015

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5/2014 – Betriebsratsarbeit – Nachtzuschläge für BR-Sitzung sind nicht steuerpflichtig

Mitglieder des Betriebsrats werden wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt, wenn sie ihre Sitzungen nachts abhalten müssen und der Arbeitgeber die geschuldeten Nachtzuschläge zwar zahlt, aber von diesen den Steueranteil abzieht, während die anderen Mitarbeiter den Nachtzuschlag für ihre Arbeit steuerfrei erhalten.

Betriebsrat im Spielcasino
Der Arbeitgeber betreibt ein Spielcasino. Die Beschäftigten des Casinos haben einen Betriebsrat gewählt. Im Casino arbeiten die Beschäftigten in einem Schichtsystem: Die Schichten beginnen um 11:00 Uhr im Automatenspiel und um 14:45 Uhr im klassischen Spiel; Schichtende ist um 4:45 morgens. Für die in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Tätigkeit erhalten die Arbeitnehmer einen Nachtarbeitszuschlag, der steuerfrei ausgezahlt wird.

Betriebsrat muss in der Nacht tagen
Mit Rücksicht auf die Arbeitszeiten der Mitglieder hält auch der Betriebsrat seine Sitzungen in der Zeit von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr sowie an Feier- und Sonntagen ab. Der Arbeitgeber zahlt den Mitgliedern des Betriebsrats für die Sitzungszeiten auch Nachtarbeitszuschläge. In der Vergangenheit wurden diese steuerfrei geleistet. Seit Januar 2013 erhalten Betriebsratsmitglieder die Nachtarbeitszuschläge nicht mehr steuerfrei. Zur Begründung beruft sich der Arbeitgeber auf eine entsprechende Rechtsauskunft seines Wirtschaftsprüfers.

Steuerrechtsfragen vor dem Arbeitsgericht
Der Betriebsrat machte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) eine Benachteiligung im Sinne von § 78 S. 2 BetrVG geltend. Der Arbeitgeber müsse die Zuschläge wie früher gleich behandeln. Das ArbG Wiesbaden verneinte einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. § 3b EStG regele, dass Zuschläge für tatsächlich geleistete Nachtarbeit steuerfrei auszuzahlen sind. An die Mitglieder des Betriebsrats würden Nachtarbeitszuschläge nur geleistet, um ihren durch Betriebsratstätigkeit entstandenen Verdienstausfalls auszugleichen. Sie seien deshalb nicht steuerprivilegiert, wie BAG und Bundesfinanzhof bereits für freigestellte Betriebsratsmitglieder entschieden haben.

LAG Hessen bejaht Benachteiligung
Das Hessische LAG stellte in zweiter Instanz fest, dass die Betriebsratsmitglieder durch die Versteuerung ihrer Zuschläge wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt werden. Unter Benachteiligung ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern zu verstehen, die aufgrund der Betriebsratstätigkeit erfolgt. Der Arbeitgeber muss dabei nicht einmal in einer besonderen Benachteiligungsabsicht handeln. Ausreichend ist, wenn das Betriebsratsmitglied bei einem Vergleich objektiv schlechter gestellt ist als ein Nichtmitglied. Das ist der Fall, wenn nur bei den Betriebsratsmitgliedern von den Zuschlägen Steuern abgezogen werden.

Betriebsratstätigkeit in der Nacht ist gleich Nachtarbeit
Die Rechtsauffassung des ArbG zur Steuerpflicht der Zuschläge teilt das LAG nicht. Soweit sich BAG und Bundesfinanzhof, mit Nachtarbeitszuschlägen von Betriebsratsmitgliedern befassten, betraf dies Betriebsratsmitglieder, die von der betrieblichen Arbeit freigestellt waren. Zwar unterliegen die aufgrund des Entgeltminderungsverbots nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Nachtzuschläge der Steuer- bzw. Sozialversicherungspflicht, wenn keine Nachtarbeit geleistet wird.

Anders ist es jedoch, wenn die Betriebsratstätigkeit zur Nachtzeit im Sinne von § 3b EStG geleistet wird. Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden steuerfrei, soweit sie 25 % des Grundlohns nicht übersteigen. Das LAG legt diese Steuervorschrift so aus, dass dies auch für tatsächlich zur Nachtzeit geleistete Betriebsratstätigkeit gilt. Der Arbeitgeber muss die Nachtzuschläge folglich wieder steuerfrei gewähren.

Quelle: Hessisches LAG, Beschluss vom 10.03.2014 – Aktenzeichen16 TaBV 197/13

1/2014 – Arbeitsvergütung – Anspruch auf Überstundenvergütung bei Duldung durch den Arbeitgeber

29.07.2014

Anspruch auf Überstundenvergütung bei Duldung von Überstunden
Überstunden sind zu vergüten
Bild: MEV Verlag GmbH, Germany

Duldet ein Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer Überstunden erbringt, muss er diese Arbeitsleistung auch bezahlen, so das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern.

In dem Fall, der dem Urteil zugrunde lag, hatte eine Altenpflegerin regelmäßig Überstunden geleistet.

Die Frau war vom 15.11.2010 bis 29.01.2012 als Altenpflegerin beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt betrug 1.300,00 EUR bei einer monatlichen Arbeitszeit von 130 Stunden. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verklagte die Altenpflegerin ihren Arbeitgeber auf die Bezahlung von 152,5 noch nicht vergüteten Überstunden.

Überstunden der Altenpflegerin wurden in Dienstplänen festgehalten

Die Klägerin legte im Einzelnen dar, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hatte. Sie absolvierte täglich Touren, auf denen sie Hausbesuche ausführte. Die Arbeitsstunden ergaben sich aus den Dienstplänen und Tourenplänen, die dem Arbeitgeber vorlagen.

Aus den Tourenplänen waren die Überstunden zu erkennen. Sie wurden wöchentlich abgerechnet und in die Dienstpläne übernommen. Daher war es dem Arbeitgeber jederzeit möglich, exakt zu prüfen, inwieweit die behaupteten Überstunden tatsächlich geleistet worden waren.

Gericht: Überstunden wurden geduldet und sind zu vergüten

Nach Auffassung des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat der Arbeitgeber die Überstunden geduldet. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden in Zukunft zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet und sie vielmehr weiterhin entgegennimmt.

Deshalb gingen die Richter davon aus, dass der beklagte Arbeitgeber von den geleisteten Überstunden spätestens zum Ende des jeweiligen Monats Kenntnis gehabt hat. Eine Darlegung, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstunden ergriffen hat, ist nicht ersichtlich. Somit ist von einer Duldung auszugehen und die Überstunden müssen vergütet werden.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.1.2014, Aktenzeichen 2 Sa 180/13 veröffentlicht: haufe.de vom 29.07.2014