Nr. 5/15 – Leiharbeit – Betriebsrat darf Kritik an Leiharbeitsfirma äußern

Der Betriebsratsvorsitzende verstößt nicht gegen seine Pflichten, wenn er einen Personaldienstleister seines Betriebs auf arbeitsrechtliche Verstöße hinweist. Der Arbeitgeber kann deshalb keine Kündigung durchsetzen, betont das ArbG Magdeburg.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen in Magdeburg, das Windenergieanlagen aufbaut und sich um ihre Wartung kümmert. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gewählt. Dort wird eine größere Anzahl von Leiharbeitnehmern eingesetzt.

BR-Vorsitzender weist auf arbeitsrechtlichen Verstoß hin

Der Betriebsratsvorsitzende wandte sich an einen der Personaldienstleister und wies diesen telefonisch darauf hin, dass es rechtswidrig sei, den Leiharbeitnehmern Zeiten nicht zu vergüten, in denen sie an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen.

Arbeitgeberin droht mit Ausschlussantrag

Der Personaldienstleister informierte die Arbeitgeberin. Diese warf in einem Schreiben dem Betriebsratsvorsitzenden vor, gegen seine Pflichten aus dem BetrVG verstoßen zu haben. Sie kündigte an, im Wiederholungsfalle seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat zu beantragen.

Der Betriebsratsvorsitzende informierte in einer E-Mail alle Mitarbeiter über den Vorgang. Die E-Mail enthielt die Einleitung: »Der Betriebsratsvorsitzende verabschiedet die Kolleginnen und Kollegen ins lange Wochenende mit einem kleinen Märchen«.

Der Betriebsrat verweigert seine Zustimmung

In der Folge kündigte der Personaldienstleister die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen. Die Arbeitgeberin verlangte vom Betriebsrat, der außerordentlichen Kündigung seines Vorsitzenden zuzustimmen. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung.

Die Arbeitgeberin wandte sich an das Arbeitsgericht (ArbG) Sie will den Ausschluss und die fristlose Kündigung des BR-Vorsitzenden erreichen. Dieser habe sich in der E-Mail diffamierend und geschäftsschädigend geäußert und die Kündigung des Personaldienstleisters verschuldet.

Arbeitgeberin hat die Zwei-Wochen-Frist versäumt

Das ArbG Magdeburg wies alle Anträge der Arbeitgeberin zurück. Die Arbeitgeberin habe schon die für eine außerordentliche Kündigung maßgebliche Zwei-Wochen-Frist nach § 626 BGB nicht eingehalten.

Der Antrag auf Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung müsse, ebenso wie die außerordentliche Kündigung selbst, binnen zwei Wochen erfolgen, nachdem die Arbeitgeberin von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat.

Der Inhalt der E-Mail des Betriebsratsvorsitzenden sei der Arbeitgeberin allerspätestens am 04.06.2014 bekannt gewesen. Mit dem Antrag, der erst am 25.06.2014 beim Arbeitsgericht eingegangen war, habe sie die Frist nicht wahren können.

Betriebsrat muss seinen Vorsitzenden nicht ausschließen

Auch den Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat wies das Gericht zurück. Grobe Verstöße gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten seien nicht festzustellen.

Die vom Arbeitgeber beanstandeten Äußerungen in der E-Mail unterfielen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG. Die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsäußerungen vermögen einen Ausschließungsantrag nicht zu begründen.

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg kann der unterlegene Arbeitgeber das Rechtsmittel der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht einlegen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 11.02.2015 ist daher noch nicht rechtskräftig.

Quelle: ArbG Magdeburg, Beschluss vom 11.02.2015 – Aktenzeichen 7 BV 67/14
LAG Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung 002/2015 vom 11.02.2015

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5/2014 – Betriebsratsarbeit – Nachtzuschläge für BR-Sitzung sind nicht steuerpflichtig

Mitglieder des Betriebsrats werden wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt, wenn sie ihre Sitzungen nachts abhalten müssen und der Arbeitgeber die geschuldeten Nachtzuschläge zwar zahlt, aber von diesen den Steueranteil abzieht, während die anderen Mitarbeiter den Nachtzuschlag für ihre Arbeit steuerfrei erhalten.

Betriebsrat im Spielcasino
Der Arbeitgeber betreibt ein Spielcasino. Die Beschäftigten des Casinos haben einen Betriebsrat gewählt. Im Casino arbeiten die Beschäftigten in einem Schichtsystem: Die Schichten beginnen um 11:00 Uhr im Automatenspiel und um 14:45 Uhr im klassischen Spiel; Schichtende ist um 4:45 morgens. Für die in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Tätigkeit erhalten die Arbeitnehmer einen Nachtarbeitszuschlag, der steuerfrei ausgezahlt wird.

Betriebsrat muss in der Nacht tagen
Mit Rücksicht auf die Arbeitszeiten der Mitglieder hält auch der Betriebsrat seine Sitzungen in der Zeit von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr sowie an Feier- und Sonntagen ab. Der Arbeitgeber zahlt den Mitgliedern des Betriebsrats für die Sitzungszeiten auch Nachtarbeitszuschläge. In der Vergangenheit wurden diese steuerfrei geleistet. Seit Januar 2013 erhalten Betriebsratsmitglieder die Nachtarbeitszuschläge nicht mehr steuerfrei. Zur Begründung beruft sich der Arbeitgeber auf eine entsprechende Rechtsauskunft seines Wirtschaftsprüfers.

Steuerrechtsfragen vor dem Arbeitsgericht
Der Betriebsrat machte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) eine Benachteiligung im Sinne von § 78 S. 2 BetrVG geltend. Der Arbeitgeber müsse die Zuschläge wie früher gleich behandeln. Das ArbG Wiesbaden verneinte einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. § 3b EStG regele, dass Zuschläge für tatsächlich geleistete Nachtarbeit steuerfrei auszuzahlen sind. An die Mitglieder des Betriebsrats würden Nachtarbeitszuschläge nur geleistet, um ihren durch Betriebsratstätigkeit entstandenen Verdienstausfalls auszugleichen. Sie seien deshalb nicht steuerprivilegiert, wie BAG und Bundesfinanzhof bereits für freigestellte Betriebsratsmitglieder entschieden haben.

LAG Hessen bejaht Benachteiligung
Das Hessische LAG stellte in zweiter Instanz fest, dass die Betriebsratsmitglieder durch die Versteuerung ihrer Zuschläge wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt werden. Unter Benachteiligung ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern zu verstehen, die aufgrund der Betriebsratstätigkeit erfolgt. Der Arbeitgeber muss dabei nicht einmal in einer besonderen Benachteiligungsabsicht handeln. Ausreichend ist, wenn das Betriebsratsmitglied bei einem Vergleich objektiv schlechter gestellt ist als ein Nichtmitglied. Das ist der Fall, wenn nur bei den Betriebsratsmitgliedern von den Zuschlägen Steuern abgezogen werden.

Betriebsratstätigkeit in der Nacht ist gleich Nachtarbeit
Die Rechtsauffassung des ArbG zur Steuerpflicht der Zuschläge teilt das LAG nicht. Soweit sich BAG und Bundesfinanzhof, mit Nachtarbeitszuschlägen von Betriebsratsmitgliedern befassten, betraf dies Betriebsratsmitglieder, die von der betrieblichen Arbeit freigestellt waren. Zwar unterliegen die aufgrund des Entgeltminderungsverbots nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Nachtzuschläge der Steuer- bzw. Sozialversicherungspflicht, wenn keine Nachtarbeit geleistet wird.

Anders ist es jedoch, wenn die Betriebsratstätigkeit zur Nachtzeit im Sinne von § 3b EStG geleistet wird. Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden steuerfrei, soweit sie 25 % des Grundlohns nicht übersteigen. Das LAG legt diese Steuervorschrift so aus, dass dies auch für tatsächlich zur Nachtzeit geleistete Betriebsratstätigkeit gilt. Der Arbeitgeber muss die Nachtzuschläge folglich wieder steuerfrei gewähren.

Quelle: Hessisches LAG, Beschluss vom 10.03.2014 – Aktenzeichen16 TaBV 197/13

Nr. 2-2011 – Kündigung: Schlechte Arbeit muss durch Vergleiche nachgewiesen werden

Wenn ein Angestellter in seiner Arbeit häufig Fehler macht, kann der Arbeitgeber zur Kündigung wegen qualitativer Minderleistung greifen. Er muss dann aber hinreichend dokumentieren, dass die Arbeit deutlich schlechter erledigt wird als von anderen Arbeitnehmern. Das hat das Landesarbeitsgericht München entschieden.

Eine Firma hatte eine kaufmännische Angestellte zunächst zweimal abgemahnt und ihr dann eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung geschickt. Sie war seit zehn Jahren für die Erfassung nationaler und internationaler Frachtdaten zuständig. Die Teilzeit-Mitarbeiterin musste zum Beispiel die Postleitzahlen und Barcodes auf Frachtbriefen aufnehmen und auf Plausibilität überprüfen.

Die Firma warf ihr eine große Fehlerhäufung vor; so habe sie etwa die Länderkennzeichen „IRL“ (für Irland) und „IR“ (für Iran) verwechselt und Lieferscheine falsch bearbeitet. Zudem habe die Mitarbeiterin Fehler zu vertuschen zu versucht; es fehle ihr an der Motivation zu guter Arbeit entsprechend ihres Fachwissens – sie handele praktisch vorsätzlich. Das bestritt die Mitarbeiterin und wies zudem darauf hin, dass auch Kollegen keineswegs fehlerfrei arbeiteten.

Zunächst das Arbeitsgericht Augsburg, dann auch das Landesarbeitsgericht entschieden zugunsten der Angestellten. Nach Auffassung der Münchner Richter konnte die Firma zwar tatsächlich eine qualitative Minderleistung dokumentieren. Das reiche aber nicht: Der Arbeitgeber müsse belegen, dass ein Mitarbeiter seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft und zudem deutlich hinter Kollegen zurückbleibt, also eindeutig über einen längeren Zeitraum mehr Fehler macht als eine „Vergleichsgruppe“. Das sei der Firma nicht gelungen ().

 

Quelle: Landesarbeitsgericht München (LAG) – Aktenzeichen 3 Sa 764/10

veröffentlicht: Spiegel-online vom 03.09.201