1/2014 – Arbeitsvergütung – Anspruch auf Überstundenvergütung bei Duldung durch den Arbeitgeber

29.07.2014

Anspruch auf Überstundenvergütung bei Duldung von Überstunden
Überstunden sind zu vergüten
Bild: MEV Verlag GmbH, Germany

Duldet ein Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer Überstunden erbringt, muss er diese Arbeitsleistung auch bezahlen, so das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern.

In dem Fall, der dem Urteil zugrunde lag, hatte eine Altenpflegerin regelmäßig Überstunden geleistet.

Die Frau war vom 15.11.2010 bis 29.01.2012 als Altenpflegerin beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt betrug 1.300,00 EUR bei einer monatlichen Arbeitszeit von 130 Stunden. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verklagte die Altenpflegerin ihren Arbeitgeber auf die Bezahlung von 152,5 noch nicht vergüteten Überstunden.

Überstunden der Altenpflegerin wurden in Dienstplänen festgehalten

Die Klägerin legte im Einzelnen dar, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hatte. Sie absolvierte täglich Touren, auf denen sie Hausbesuche ausführte. Die Arbeitsstunden ergaben sich aus den Dienstplänen und Tourenplänen, die dem Arbeitgeber vorlagen.

Aus den Tourenplänen waren die Überstunden zu erkennen. Sie wurden wöchentlich abgerechnet und in die Dienstpläne übernommen. Daher war es dem Arbeitgeber jederzeit möglich, exakt zu prüfen, inwieweit die behaupteten Überstunden tatsächlich geleistet worden waren.

Gericht: Überstunden wurden geduldet und sind zu vergüten

Nach Auffassung des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat der Arbeitgeber die Überstunden geduldet. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden in Zukunft zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet und sie vielmehr weiterhin entgegennimmt.

Deshalb gingen die Richter davon aus, dass der beklagte Arbeitgeber von den geleisteten Überstunden spätestens zum Ende des jeweiligen Monats Kenntnis gehabt hat. Eine Darlegung, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstunden ergriffen hat, ist nicht ersichtlich. Somit ist von einer Duldung auszugehen und die Überstunden müssen vergütet werden.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.1.2014, Aktenzeichen 2 Sa 180/13 veröffentlicht: haufe.de vom 29.07.2014

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Nr. 1-2013 – BAG: Arbeitnehmer hat in Ausnahmefällen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus der Personalakte

Voraussetzung: Entstehung unzumutbarer beruflicher Nachteile und rechtliche Bedeutungslosigkeit der Abmahnung

Ein Arbeitnehmer hat nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Beseitigung einer zu Recht erteilten Abmahnung. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn die Aufbewahrung der Abmahnung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen und die Abmahnung rechtlich bedeutungslos ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.

In dem zu Grunde liegenden Fall wurde eine bei einem Landkreis angestellte Arbeitnehmerin im April 2008 wegen einer Pflichtverletzung abgemahnt. Später erhob sie Klage auf Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des Landkreises.

Berufungsurteil wurde aufgehoben

Das Bundesarbeitsgericht hob das Berufungsurteil auf und wies den Rechtstreit an das Landesarbeitsgericht Thüringen zurück. Denn das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht einen Rücknahmeanspruch der Arbeitnehmerin bejaht.

Fehlendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an einer zu Recht erteilten Abmahnung begründet Anspruch auf Entfernung

Einem Arbeitnehmer könne nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung gemäß §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB zustehen, wenn sie unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Bei einer zu Recht erteilten Abmahnung bestehe der Rücknahmeanspruch, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht. Dies setze aber voraus, dass eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte und die Abmahnung rechtlich bedeutungslos geworden ist.

Verlust der Warnfunktion einer Abmahnung bei längerem beanstandungslosem Verhalten

Aus Sicht der Richter könne eine Abmahnung ihre Wirkung verlieren, wenn sich der Arbeitnehmer längere Zeit beanstandungslos verhalten habe. Damit wird aber nur die Warnfunktion der Abmahnung berücksichtigt.

Arbeitgeber darf kein berechtigtes Interesse mehr haben

Das Bundesarbeitsgericht führte weiter aus, dass der Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aber mehr voraussetze, als der Verlust der Warnfunktion. Der Arbeitgeber dürfe zudem kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Die Abmahnung dürfe für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen und daher bedeutungslos geworden sein. Solange aber die Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung, Beförderung oder für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis sowie die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdenden Interessenabwägung von Bedeutung sein könne, sei dies nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht habe es unterlassen diese Voraussetzungen zu prüfen. Daher musste das Berufungsurteil aufgehoben werden.

Dauer des berechtigten Interesses einzelfallabhängig

Bis zu welcher Frist das berechtigte Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen ist, sei nach Ansicht des Gerichts je nach Einzelfall zu entscheiden. Eine fest bemessene Frist gebe es nicht. Maßgeblich sei insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Pflichtverstoß könne seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren als ein Fehlverhalten, welches das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt.

Quelle:

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.07.2012                                                                              Aktenzeichen: 2 AZR 782/11

Bundesarbeitsgericht, ra-online vom 21.03.2013

Nr. 5-2011 – Trotz Wirbelbruch keine Verletztenrente

Nach einem Arbeitsunfall besteht nur dann Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, wenn feststeht, dass Schmerzen und unfallbedingte Folgeerscheinungen über das übliche Maß hinausgehen und die Arbeitsfähigkeit einschränken.

Der Kläger stürzte bei seiner Tätigkeit als Kundendienstmonteur während einer Montagetätigkeit von einer zwei Meter hohen Leiter. Er zog sich mehrere Prellungen und einen Brustwirbelbruch zu.

Den Antrag auf Verletztenrente lehnte seine Berufsgenossenschaft ab. Als unfallursächliche gesundheitliche Beeinträchtigungen seien „eine anteilige Bewegungseinschränkung der Brustwirbelsäule nach knöchern unter Deformierung fest verheiltem Bruch des VIII. Brutwirbelkörpers mit Einsteifung des Segments Th VII/VIII sowie subjektive Beschwerden“ anzuerkennen. Daneben würden unfallunabhängige Beeinträchtigungen vorliegen. Hieraus ergebe sich für die ersten beiden Jahre nach dem Arbeitsunfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zehn Prozent, danach eine MdE von weniger als zehn Prozent.

Hiergegen richtete sich die Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart. Der Monteur machte geltend, aufgrund eines unfallbedingten ausgeprägten Schmerzsyndroms und einer dadurch verursachten schwerwiegenden Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) betrage die MdE 20 Prozent, so dass ihm eine Verletztenrente zustehe. Das Sozialgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens, in dem die MdE unter Berücksichtigung von psychosomatischen Komponenten mit 20 Prozent bewertet wurde, abgewiesen. Nach der Überzeugung des Gerichts war nur ein Teil der nur endgradig eingeschränkten Beweglichkeit der BWS beim Kläger durch den unfallursächlichen Wirbelkörperbruch verursacht worden. Ein konsolidierter Wirbelkörperbruch ergebe grundsätzlich keine rentenberechtigende MdE. Üblicherweise vorhandene Schmerzen seien dabei berücksichtigt. Unfallbedingte und über das übliche Maß hinausgehende Schmerzen mit Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit hätten beim Kläger nicht vorgelegen.

Quelle: Sozialgericht (SG) Stuttgart –  Urteil vom 11.05.2011 – Aktenzeichen: S 1 U 1393/10

veröffentlicht: Pressemitteilung des Sozialgericht Stuttgart vom 26.08.2011